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Können erhöhte Materialkosten an den Auftraggeber weitergegeben werden?

Der sprunghafte Anstieg von Materialkosten lässt ein längere Zeit eher unbeachtetes Thema wieder hochkochen: Kann man solche Kosten an den Auftraggeber weiter geben?

Im bestehenden Vertragsverhältnis mit bereits vereinbarten Festpreisen geht dies in 99% der Fälle nicht, da das Risiko veränderter Preise grundsätzlich beim Auftragnehmer liegt. Hier hat nur derjenige Auftragnehmer Möglichkeiten, dem es gelungen ist, eine Stoffpreisgleitklausel oder einen Preisvorbehalt zu vereinbaren. Etwas beleuchtet werden sollen hier die recht häufigen Fälle, in denen der terminliche Ablauf nicht den Erwartungen bei Vertragsschluss entspricht, bei denen sich also Baubeginn oder die Durchführung verzögert haben.

I. Kostenerhöhungen bei von allen Vertragspartnern unverschuldet verzögertem Baubeginn

Der Auftraggeber muss grundsätzlich zum vorgesehenen Zeitpunkt das Bauobjekt zur Durchführung der Arbeiten zur Verfügung stellen. Kann er dies nicht oder kann er aus anderen Gründen, z.B. wegen noch fehlender Baugenehmigung den Beginn der Arbeiten nicht frei geben, so kann der Auftraggeber, auch wenn ihn kein Verschulden trifft, in Annahmeverzug geraten.

Erforderlich dafür ist, dass der Auftragnehmer seine Leistung zum vereinbarten Zeitpunkt anbietet, am besten durch eine ausdrückliche Mitteilung, leistungsbereit zu sein. Damit entsteht dann der Annahmeverzug des Auftraggebers.

Was gilt nun, wenn gar kein Zeitpunkt des Baubeginns oder auch nur eine „ca.“-Angabe aber kein verbindliches Ausführungsdatum vertraglich fixiert wurde? Der Auftraggeber darf auch in diesen Fällen den Baubeginn nicht beliebig hinauszögern sondern muss sich in einem Zeitrahmen bewegen, der für den Auftragnehmer zumutbar ist. Für den Fall eines Beginns des Baus für drei Mehrfamilienhäuser hat das OLG Celle (Az. 29 U 166/16) beispielsweise festgelegt, dass ein Baubeginn drei Monate nach Ablauf einer „Ca.“-Angabe im Bauvertrag gerade noch zumutbar war.

Für die Verzögerungszeit steht dem Auftragnehmer dann gem. § 642 II BGB eine Entschädigung zu. Der Wortlaut des Gesetzes, an dem sich die aktuelle Rechtsprechung wesentlich strikter orientiert als noch vor wenigen Jahren, gibt bei der Berechnung der Entschädigung jedoch leider nicht her, zusätzliche entstehende Materialkosten weiter geben zu können.

Daher empfiehlt sich folgendes Vorgehen in diesen Fällen:

Dem Auftraggeber sollte gem. § 643 BGB nach Eintritt des Annahmeverzuges eine angemessene Frist gesetzt werden, die Ausführung der Bauarbeiten zu ermöglichen. Dabei ist ausdrücklich zu erklären, dass der Vertrag gekündigt wird, wenn dies in der gesetzten Frist nicht erfolgen sollte. Verbunden werden mit dieser Fristsetzung kann ein Angebot, die Arbeiten vor dem Hintergrund der gestiegenen Materialpreise zu anderen Preisen und einem neu zu vereinbarenden Zeitpunkt auszuführen. Akzeptiert der Auftraggeber das Angebot, gelten die erhöhten Preise und das neue Ausführungsdatum. Akzeptiert er nicht, ist der Vertrag nach Ablauf der Frist gekündigt.

Im VOB/B-Vertrag gelten folgende Besonderheiten: Gem. § 6 Abs. 1 VOB/B sollte der Auftragnehmer nicht nur seine Leistungsbereitschaft, sondern vorsorglich auch eine Behinderung anzeigen, wenn mit den Arbeiten nicht zum vereinbarten Zeitpunkt begonnen werden kann. Reagiert der Auftraggeber darauf mit der „Bitte“, sich für eine spätere Ausführung bereit zu halten, kann dies eine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B darstellen, die dann auch, anders als beim BGB-Vertrag, zur Abrechnung der Mehrkosten und damit auch Weitergabe erhöhter Materialpreise an den Auftraggeber berechtigt.

II. Kostenerhöhungen bei verzögertem Baubeginn, der vom AG zu vertreten ist

Ist der Auftraggeber für den verzögerten Baubeginn verantwortlich, gilt im BGB-Vertrag dasselbe wie bei einem fehlenden Verschulden, da der Annahmeverzug des Auftraggebers nicht verschuldensabhängig ist.

Im VOB/B-Vertrag tritt in diesen Fällen die Möglichkeit des Auftragnehmers hinzu, gem. § 6 Abs. 6 VOB/B Schadensersatz für die Behinderungsfolgen zu verlangen. Der Schadensersatz umfasst auch durch die Behinderung entstandene Mehrkosten bei der Materialbeschaffung.

III. Kostenerhöhungen während der Ausführung im unbehinderten Bauablauf

Im unbehinderten Bauablauf trägt der Auftragnehmer das volle Risiko gestiegener Baukosten, wenn ein Festpreis vereinbart wurde. Die Rechtsprechung hat sich vor ca. 15 Jahren mit mehreren Fällen auseinander gesetzt, in denen wegen der damaligen explosiven Erhöhung der Stahlpreise diskutiert wurde, ob wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage dem Auftraggeber nicht diese Kosten ganz oder zum Teil weiter gegeben werden können und dies in mehreren obergerichtlichen Urteilen verneint.

IV. Kostenerhöhungen im verzögerten (behinderten) Bauablauf

Beim verzögerten Bauablauf gelten grundsätzlich die Ausführungen zum verzögerten Baubeginn. Häufig kommt es hier jedoch zu folgenden Problemen, die bei einem verzögerten Baubeginn nicht aufkommen können:

Kann der Auftragnehmer zwar arbeiten, jedoch nicht störungsfrei, weil z.B. andere Gewerke mit anderen Arbeiten den Ablauf stören oder Materialien im Weg stehen ist es im BGB-Vertrag im Einzelfall festzustellen, ob der Auftraggeber hier die Schwelle zum Annahmeverzug überschreitet. Es gibt hierzu keine allgemein gültige Rechtsprechung, unter welchen Voraussetzungen diese Schwelle überschritten ist. Je schwerwiegender die Behinderung ist, desto eher dürfte ein Annahmeverzug des Auftraggebers in Frage kommen.

Auch in diesen Fälle gilt, dass bei schwerwiegenden Behinderungen auf die oben dargestellte Kündigungsandrohung gem. § 643 BGB zurück gegriffen werden sollte.

Wichtig ist in diesen Fällen die genaue Dokumentation der Behinderungen nach Inhalt und Zeitdauer, was im typischerweise auf diesen Baustellen herrschenden Stress meist zu kurz kommt. Jede Behinderung ist später im Prozess jedoch so weit darzulegen, dass nachvollzogen werden kann, ob und auf welche Weise welche Behinderung zu welchen Folgen geführt hat.

Für den VOB/B-Vertrag gilt hier:

Soll später in diesen Fällen nicht das Recht zur Kündigung sondern ein Schadensersatzanspruch aus § 6 Abs. 6 VOB/B z.B. wegen erhöhter Materialkosten durchgesetzt werden, muss sogar unter Vorlage einer bauablaufbezogenen Darstellung nachgewiesen werden, durch welche Behinderung an welcher Stelle welche Behinderungsfolge gegenüber einem ungestörten Bauablauf aufgetreten ist. In der Gerichtspraxis scheitert die Durchsetzung von Ansprüchen immer wieder daran, dass dies im Nachhinein nicht mehr gelingt. Nur wenn es gelingt, können in diesen Fällen erhöhte Materialpreise weiter gegeben werden.